Zur Geschichte des Bethanien
Das Central-Diakonissen-Haus Bethanien ist in den Jahren 1845-47 errichtet worden. Es ist ein Vermächtnis des frommen Königs Friedrich Wilhelm IV, des „Romantikers auf Preußens Thron“. 1843 erneuerte er den Schwanenorden, den sein Vorfahr Kurfürst Friedrich II von Brandenburg vierhundert Jahre früher gegründet hatte. Der erste freie Orden entstand: „Eine Vereinigung von Männern und Frauen ohne Ansehen des Standes und Bekentnisses.“ Eine seiner Aufgaben sollte die Errichtung eines Institutes zur Ausbildung von Krankenpflegerinnen sein, „mit welchem, zum Vorbilde ähnlicher Anstalten, eine eigene Krankenanstalt verbunden werden sollte.“ Persius fertigte den ersten Entwurf dieser Diakonissenanstalt mit 500 Betten, einer Schwesternschule und einem Waisenhaus. Nach Persius´Tod übernahm sein Mitarbeiter Stein die Bauausführung unter der Leitung des Schinkelschülers Stüler. Nach den von Stein umgearbeiteten Plänen entstand in kurzer Zeit die weite hufeisenförmige Anlage, deren wuchtiger Haupttrakt von zwei schlanken 35 Meter hohen Türmen überragt wird.
Als das Haus im Oktober 1847 seiner Bestimmung übergeben wurde, lag es innerhalb der Stadtgrenzen auf dem damals noch unbebauten Köpenicker Feld, inmitten von Gärten und Roggenfeldern. Schon 50 Jahre später – um die Jahrhundertwende – waren Bethanien und der von Lenné entworfene Park eingebettet in eine dichte Stadtstruktur – die Einwohnerzahl Berlins hat sich in dieser Zeit fast verfünffacht, von 365.000 auf 1.700.000. Bis 1970 war das Krankenhaus in Betrieb. Mit der Stilllegung des Krankenhauses 1970 begann ein vehementer “Kampf um Bethanien”: Der geplante großflächige Abriss und eine Neubebauung mit sozialem Wohnungsbau wurde durch Besetzung, Bürgerinitiativen und Denkmalschützer verhindert. Seit 1973 arbeiten im Hauptgebäude vorwiegend kulturelle, künstlerische und soziale Institutionen.
Die historische Theodor-Fontane-Apotheke
Tel.:+49-(0)30-90298-1463
Öffnungszeiten: Dienstag 14-17 Uhr. Führungen auf Anfrage
Die Apotheke ist eine Einrichtung des Kreuzberg Museum:
Tel.: +49-(0)30-5058-5233, Fax: 5058-5258
Leitung: Martin Düspohl
Die Krankenhaus-Apotheke, in der Theodor Fontane 1848 und 1849 als Apotheker arbeitete und Schwestern zu Apothekerinnen ausbildete, ist noch in ihrer originalen Ausstattung erhalten. Einige Gefäße wurden aus zeitgenössischen Beständen ergänzt.
Fontanes Erinnerungen
„Meine Übersiedlung in meine neue Stellung fand gerade an dem Nachmittag statt, wo Bürgerwehr und Volk auf dem Köpenicker Felde herumbattaillierten, so dass ich –ich war mit einemmale in einer Schützenlinie- unter Fliegengeknatter meinen Einzug ins Bethanien hielt. Ich hatte von dem Ganzen den Eindruck einer Spielerei gehabt, was es aber doch eigentlich nicht war.
Am anderen Vormittage kam Pastor Schultz, um sich mit mir umzusehen und mich dann in mein Amt einzuführen. Wir traten von der Gartenseite her in das „Große Haus“ ein und gingen durch die langen Korridore hin auf ein hohes Eckzimmer zu, das als Apotheke eingerichtet war und besonders um seiner Höhe willen einen wundervollen, halb mittelalterlichen Eindruck machte. Hier fanden wir zwei Damen, die eine –ältere- in einen schwarzen Wollstoff, die andere, noch sehr jung, in blau und weiss gestreifte Leinwand gekleidet, beide in zierlichen weissen Häubchen. Die ältere, von einem gewissen Selbstbewußtsein getragen, begnügte sich mit einem kurzen Knix, während die jüngere, verlegen lächelnd, eine kleine Kopfverbeugung machte.
Schultz gab den Damen die Hand, war überhaupt in bester Stimmung und sagte dann, während er sich zu mir wandte: „Das sind nun also die zwei Schwestern, die Du zu regelrechten Pharmazeutinnen heranzubilden haben wirst. Denn sie sollen, wie vorgeschrieben, ein richtiges Examen machen. Tue Dein Bestes, -sie werden gewiss ihr Bestes tun.
Das Zimmer, worin diese Vorträge stattfanden, war das neben der Apotheke gelegene Wohnzimmer Emmy Dankwerts und bezeigte durch seine ganze Einrichtung, dass seine Bewohnerin eine exzeptionelle Stellung einnahm.“
Theodor Fontane, Schriftsteller, geboren am 30. Dezember 1819 in Neuruppin, gestorben am 20. September 1898 in Berlin.
Das Bethanien – 1847 bis heute
1845-1847 von Theodor Stein nach den Plänen von Ludwig Persius als Diakonis senanstalt mit Lehrkrankenhaus erbaut.
1847 Am 10. Oktober durch Bischof Neander geweiht.
1848 Revolution in Berlin. Kämpfe auf dem Köpenicker Feld. Theodor Fontane als Apotheker in Bethanien
1851 Stiftung unter Aufsicht der evangelischen Kirche. Bau des Leichen hauses und der Kapelle.
1857 Bau von Wirtschaftshof und Stall
1869 Die Krise: Mehr als 900 Patienten sterben nach chirurgischen Eingrif fen an Spitalbrand und Wundfieber.
1878 Bau des Feierabendhauses für die Diakonissen
1882 Bau des Kinderheimes im Seebad Heringsdorf
1894 Fertigstellung des Martha-Maria-Hauses, einer Vorschule für Diako- nissen
1899 Die Isolierbaracke entsteht. Um die Jahrhundertwende Nachwuchs- mangel und Arbeitsüberlastung der Diakonissen
1912 Wird das Seminar für christliche Kindergärtnerinnen gegründet. Pädagogische Arbeit ist ein weiterer Schwerpunkt.
1914-1918 Wie schon 1870/71 werden die Diakonissen als Lazarettschwestern eingesetzt. Bethanien leidet unter Versorgungsschwierigkeiten.
1929-1930 Bau des großen Seminarhauses für Jugendleiterinnen, als Haushalts- schule, Kindergarten und -hort
1930 Bau des Hauses „Tabea“ (Lehrgänge und Schwesternwohnheim)
1933 Die Leitung des Bethanien verweigert sich der Forderung der Natio-
nalsozialisten, die Führungspositionen mit Parteigenossen zu besetzen.
1941 Auf Veranlassung der Gestapo wird das Seminarhaus beschlagnahmt. Einrichtung eines Blindenlazaretts. Personelle Engpässe: viele Ärzte sind an die Front beordert.
1943 Bombenangriff, leichte Schäden
1945 Schwere Schäden durch Luftangriffe. Lebensmittelrationierung
1945/47 Teilweise Wiederaufaufbau
1950/51 Der große Südflügel wird erneuert.
1966 Bethanien fast vor dem Aus: Die Zahl der Patienten und der Schwes- tern aus dem Ostteil geht stark zurück. Das Krankenhaus ist zahlungs- unfähig.
1968 Die Gebäude sollen abgerissen werden.
1969 Nach Protesten wird Bethanien unter Denkmalschutz gestellt. Bebau- ungspläne der Architektin Kressmann-Zschach: Nur das Hauptgebäu- de soll stehenbleiben, umgeben von Wohnsilos und Altenheim. Vor allem der Bund Deutscher Architekten läuft gegen dieses Spekula- tionsobjekt Sturm.
1970 Das Krankenhaus wird geschlossen. Die Kirche verkauft es für 10,5 Millionen DM an das Land. Öffentliche Kontroverse um die Nutzung.
1971 Besetzung des ehemaligen Schwesternwohnheims Martha-Maria- Haus – ein Nebengebäude auf dem Gelände des Bethanien. Die Besetzer benannten das Haus in „Georg-von-Rauch-Haus“ um. Mit
dem Berliner Senat einigten sie sich auf eine legale Nutzung als Jugendwohnprojekt.
Am 19. April 1972 gab es eine Razzia im Rauch-Haus. Davon singt die Band Ton Steine Scherben in ihrem Lied „Rauch-Haus-Song“. Das Hauptgebäude des Bethanien selbst wurde – entgegen allgemeiner Mythen – nicht besetzt.
1973 Wiedereröffnung des Bethanien als Zentrum für Kultur und Soziales mit dem Atelier- und Ausstellungsprogramm der Künstlerhaus Betha- nien GmbH, der Druckwerkstatt des Kulturwerkes des bbk Berlin, der
Musikschule Kreuzberg und der kommunalen Galerie des Kunstamt Kreuzberg, einer Seniorenbegegnungsstätte, der Namik-Kemal- Bibliothek, Lehrerseminaren und einem Sozialamt
1975 Ausstellung „Mehmet kam aus Anatolien“. Leiter des Kunstamt Kreuz- berg im „Haus am Mariannenplatz“ ist Dieter Ruckhaberle.
1977 Ausstellung „Theater in der Weimarer Republik“ und „Nazim Hikmet“. Krista Tebbe wird Leiterin des Kunstamt Kreuzberg.
2000 Christoph Tannert wird Geschäftsführer der Künstlerhaus Bethanien gGmbH und löst den Gründer Michael Haerdter in dieser Funktion ab.
2002 Umzug der Namik-Kemal-Bibliothek in die Hauptbibliothek
2003 Ausstellung: „Backjumps – The Live Issue“. Stéphane Bauer ist Leiter des Kunstraum Kreuzberg/Bethanien.
2004 Skandal um die Ausstellung „When love turns to poison“
2004 Schließung der Seniorenbegegnungsstätte
2005 Auszug des Sozialamtes aus dem 1.+2. OG. des Südflügels
11.06.2005 Besetzung des 1. und 2. OG. des Südflügels durch das Hausprojekt „York59“
06.07.2006 Erfolg des Bürgerbegehrens der Initiative Zukunft Bethanien (IZB). Beginn der „Runden Tische“ zur Entwicklung eines Nutzungskonzeptes
01.05.2009 Die GSE (Gesellschaft für StadtEntwicklung gemeinnützige GmbH,
Treuhänder Berlins) übernimmt die Bewirtschaftung des Bethanien. Ankernutzer sind und bleiben weiterhin der Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, die Druckwerkstatt des bbk Berlin und die Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg. Im „Südflügel“ – formal abgetrennt mit
eigener postalischer Adresse – verbleiben als Mieter das Hausprojekt „NewYork59“ und weitere soziale, politische und kulturelle Projekte.
28.05.2010 (Wieder) Eröffnung eines Café-Restaurants im ehemaligen Casino durch Michael Böhl und Wolfgang Sinhart unter dem Namen „3Schwestern“
30.06.2010 Umzug der Künstlerhaus Bethanien gGmbH in die Kohlfurter Straße
01.09.2010 Einzug des Atelierprogramms des Landes Berlin
01.03.2011 Einzug der Darstellenden Künste im Bethanien
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